Goldene Mission in Düsseldorf [Bericht zur TT-WM]
Wir schreiben das Jahr 2017. Ein kleiner Teil der Elbe-Menschheit hat sich auf den Weg gemacht, um bisher unergründete Weiten der Tischtennis-Welt zu erkunden. Die Herzen voller Freude, im Wissen um die Aufgabe, so groß, dass es schier die Vorstellungskraft sprengen könnte. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die vergangenen Versuche, den Weg zu finden zum goldenen Paradies, das fern scheint und doch immer wieder greifbar. Dies ist unsere Geschichte. Die Geschichte, wie wir eine Goldmedaille für Timo Boll finden wollten.
Zu Beginn stand eine Idee, so alt, wie die Elbe-Unternehmung selbst. Timo Boll zur Weltmeisterschaft tragen. Oder so ähnlich. Weil viele ihm ja nicht so viel zu trauen. Aber wir sind anders. Wir kennen das „Timo-Unser“ (http://www.ttcelbe.de/tischtennis-weltmeisterschaft-in-rotterdam/) und wir wussten einen unter uns, der den großen Namen schon weitergegeben hatte.
Früh stand die Reise fest, Erwählte hatten sich gefunden, um endlich den Durchbruch zu schaffen. Nach zwei Reisen vor sechs und vier Jahren, war dies Versuch Nummer Drei. Düsseldorf das Ziel, die Weltmeisterschaft als Aufgabe.
Nach monatelangem Warten brach endlich der Tag an, der den Beginn der Reise bedeutet. Mit dem Flugzeug wagten die sieben Elbe-Menschen (bzw. Elbe-Menschen-Verbundenen) den Weg. Namentlich: Katja, Phips, Claudia, Clemens, Frank, Steve, Simon. In Düsseldorf sollten noch am gleichen Abend Nora und Christoph dazu stoßen.
Während wir am Abend uns das erste Mal Nahrung suchten (im Hotel standen „nur“ Haribo und Eis immer kostenlos rum, ansonsten übrigens immer ein super gutes Frühstück), quälte sich Ovtcharov parallel ins Achtelfinale.
Als die Sonne sich schon über den Horizont erhoben hatte am folgenden Tag begann auch unsere große Mission. Im Gepäck alles was wir brauchten, Fahne, Trikots, Farben. Tickets.
Schon in der Messe angekommen – Austragungsort eines der größten Turnier der Welt (was die Breite der Nationen angeht) – konnten wir uns intensiv auf dem Weg zum tatsächlichen Ort des Geschehens auf das Kommende vorbereiten. Schließlich war das ein knapper Kilometer durch andere Messehallen hindurch.
Das erste Spiel von dreien am Tage mit deutscher Beteiligung hatten wir gleich zu Beginn. Leider musste Petrissa Solja, gemeinsam mit Fang Bo (zu diesem Moment noch amtierenden Vize-Weltmeister im Einzel) im Halbfinale Mixed aber letztlich den später am Tag als Weltmeister gekrönten Duo aus Japan gratulieren.
Im Laufe des Tages sahen wir dann u. a. noch das 13-jährige Wunderkind Tomokazu Harimoto, der sich vor unseren Augen ins Viertelfinale spielte. Und parallel dazu einen Ruwen Filus, der vielleicht das Spiel seines Lebens machte gegen die Nummer 2 der Welt Fan Zhendong, letztlich aber doch 2:4 verlor.
In den Pausen konnte man sich die Zeit verschieden vertreiben, u. a. auf den üblichen etwas anders geformten Tischen und beim Testen, wie schnell man denn den Ball übers Netz dreschen kann. Gerüchte besagen, Clemens hätte den Tagesrekord aufgestellt.
Und dann stiegen die Emotionen. Unsere Schilder wurden gezückt, die Fahnen entrollt. Es stand das Achtelfinale von Timo Boll an. Der bisher souverän durchs Turnier gegangen war. Marcos Freitas, gegen den er in jüngerer Vergangenheit schon in wichtigen Spielen verloren hatte. Und auch direkt den ersten Satz klar abgab. Aber dann schwenkten wir das erste Mal unsere Schilder, sammelten die Energien, feuerten an. Und Boll spielte das Tischtennis, was wir aus seinen besten Zeiten kennen. Tischnah, mit der Rückhand immer Druck, spektakulär, bärenstark. Im Laufe des Spiels wurde die Halle immer lauter und Boll immer besser. Zwischendurch versuchten einige eine Laola-Welle anzustimmen, die immer wieder verebbte. Bis Steves Einsatz. Wer in Chemnitz beim Deutschland-Pokal dabei war, kennt es, wenn seine Stimme durch die Halle schallt. Diesmal: 3, 2, 1. Und die Laola-Welle rollte mehrmals durch die Halle. Boll zog ins Viertelfinale ein. (Und wir wurden – verschiedene Quellen bestätigten es sehr schnell via Nachricht an uns – mit unseren Schildern im Stream und Fernsehen gesichtet.)
Am Abend konnten wir uns – nach einem Abendessen beim Spanier neben einem Champions-League-Finale übertragenden Bildschirm – auch nicht vom Tischtennis lösen, begaben uns aber auf andere Pfade. Alfonso Clemente flimmerte in der ergreifenden Geschichte von „Codewort Dusche“ über den Bildschirm. Neben Spielen und Gesprächen verging der Samstag spät in der Nacht.
Am Sonntag teilte sich die Gruppe, nur Katja, Simon, Phips und Claudia gingen zur Messe. Der Rest vertrieb sich auf verschiedene Art den Tag in der Stadt, u. a. mit einer Fahrt auf dem Rhein. So mussten letztlich Steve, Clemens und Frank eines der beiden größten Spiele der WM eng gedrängt auf dem Bett vor einem Handy-Bildschirm verfolgen. (Hätte man ja auch mal im Fernsehen übertragen können …).
In der Halle fühlte man das Spiel förmlich. Nachdem der Tag sowohl mit der Niederlage Ovtcharovs und auch einem eher enttäuschenden „Sonntags-Publikum“ gestartet war, schaffte es ebenjenes Publikum dann aber doch, beim Boll-Viertelfinale gegen Ma Long eine elektrisierende Stimmung ins Rund zu zaubern.
Auch wenn Katja und Simon (genauso wie Phips und Claudia) in einem gefühlt „toten“ Block saßen – ist ein bisschen wenig, wenn mehrere Reihen es nur schaffen, mal bei einem guten Punkt zu klatschen – wurden auch diese, aber besonders wir (vorneweg), mitgerissen von den Stimmungs-Wellen die bald beim Spiel durch die Halle liefen. Man hatte immer das Gefühl, heute kann er es schaffen. Heute ist er auf dem Niveau Ma Long zu schlagen. Nach hohen Satzniederlagen kam er fast selbstverständlich zurück. Zimmerte Ma Long Topspins um die Ohren, hatte oft direkt am Tisch eine krachende Antwort und heizte so das Publikum gleich mit an. Gegen Ende des Spiels fing die Arena an zu beben, metaphorisch und tatsächlich. Wenn gut 8.000 anfangen auf Holz zu trampeln, dann fährt ein Zug durch die Halle. Die Vibration reißt einen mit.
Am Ende konnte Timo – bekanntermaßen – leider nicht gewinnen, trotz 8:4 Führung im sechsten Satz. Ein siebter Satz wäre sicher noch mal ein Highlight geworden.
So blieben uns noch die anderen Spiele am Tag. Dabei u. a. ein beeindruckendes Damen-Finale, bei dem Ding Ning – der wir schon bei ihrem ersten WM-Titel vor sechs Jahren zugeschaut hatten – ihren Anspruch auf einen Platz in der Tischtennis-Ewigkeit untermauerte. Jetzt mit drei WM-Titeln und einem Olympia-Sieg.
Nachdem die Hallengänger in einer ziemlich coolen (Studenten)-Kneipe waren, in dem sie u. a. einen etwas gewöhnungsbedürftigen Soli-Shot genossen, trafen sie sich dann abends wieder mit allen zusammen im“Party“-Zimmer. Der Rest des Abends verging in geübter Manier wie zuvor.
Am Montag trat dann das Elbe-Kontigent zum ersten Mal geschlossen in der Halle an.
Sowohl im Herren-Einzel als auch im Damen-Doppel erwarteten uns noch die Halbfinals und Finals. Nachdem alle vier Halbfinals sehr deutliche Angelegenheiten waren, kam es zu außergewöhnlichen Finalspielen. Vorweg, das Damen-Doppelfinale konnten wir leider nur bis zum 3. Satz sehen, dann war die Zeit gekommen, uns zu unseren jeweiligen Transportmöglichkeiten zu begeben.
Aber vorher durften wir ein Herren-Finale erleben, das schon jetzt als eines der besten jemals gilt. Aus unseren Buchstaben konnten wir lediglich „GO MA“ formen. Das spiegelte zwar nicht ganz die tatsächlichen Sympathien unserer gesamten Gruppe wieder – die war eher sehr gespalten – aber he, wir hatten was zum Hochhalten. Und waren damit auch im Livestream. Der Gruß an unsere Omas schaffte es dort allerdings nicht hin.
Das Finale selbst war ein absolutes Highlight, mit Tischtennis das so wohl nur die Nummer 1 und 2 der Welt gegeneinander spielen können im Moment. Der siebte Satz war dabei noch einmal die Krönung, mit regelmäßigen Führungswechseln und der Entscheidung erst in der Verlängerung.
Damit war für uns die WM erst mal vorbei. Aber kurz vor unserem Flug nach Dresden hob vom Gate nebenan ein Flugzeug nach Budapest ab. Ein Fingerzeig für unsere Mission. In zwei Jahren steigt die Einzel-WM in Budapest.