Ein Tag in einer Halle in Alicante

An dessen Ende sechs Medaillen standen, auf einem Foto das Katja vor sehr kurzem auf dem Weg nach Madrid gemacht hatte. Und überhaupt gab es einiges zu sehen, auch wenn es „nur“ eine Europameisterschaft war.

Beim Dienstagtraining wurde mir ein Bild vorgehalten, was Katja anscheinend auf dem Weg in den Urlaub in Richtung Madrid (zunächst) gemacht hatte. Dort war ihr die halbe Nationalmannschaft auf dem Weg nach Alicante zur EM über den Weg gelaufen. Das Foto war mit Timo Boll, Petrissa Solja, Ruwen Filus und Patrick Franziska. 

Bis kurz vor diesem Zeitpunkt war ich eigentlich davon ausgegangen, dass trotz arbeitender Freundin in Alicante, ich es nicht zur EM schaffen (wollen) würde. Schließlich hatten wir bisher vor allem WMs besucht und auch stimmungstechnisch damit alles richtig gemacht. Aber manche Dinge ändern sich und ich sollte doch nun aus persönlichen Gründen für das Wochenende den Weg nach Alicante finden – und wenn man schon mal da ist, kann man ja auch einen Tag in der Halle vorbeischauen. Es sollte der Sonntag und Finaltag werden, bei einer EM – im Gegensatz zu einer WM – kann man davon ausgehen, dass da noch jemand aus Deutschland dabei ist.

Nachdem schon an den Vortagen die ersten Runden im Livestream verfolgt werden konnten, wobei die Hoffnung Boll am Sonntag noch mal zu sehen eher klein waren (v. a. als er sich nach Verletzung nun zurückgekehrt durch die ersten Runden arbeitete, v. a. das 4:3 in der Verlängerung gegen Akkuzu). Doch am Samstag erwachte dann plötzlich sein Körper samt Gesamtleistung und er spielte sich überzeugend in den Sonntag.

Bis dahin hatten dann schon die drei anderen auf Katjas Bild in Summe vier Medaillen gesammelt. Ruwen Filus Gold im Mixed und Bronze im Doppel. Patrick Franziska gemeinsam mit Petrissa Soja Bronze im Mixed (2x also) und noch mal Patrick Franziska Bronze im Doppel.

Am Finaltag stiegen wir zunächst locker mit den Damen-Halbfinals ohne deutsche Beteiligung ein. Das wurde dann aber mit einem rein deutschen Herren-Halbfinale ausgeglichen, in dem Boll gegen Franziska nicht nur einen 1:3 Rückstand sondern auch ein 3:7 im 7. Satz aufholte. Bitter für Franziska, der so lala gefüllten Halle gefiel’s aber, die war mehrheitlich für Boll. Interessante Angewohnheit, Franziska hat nach jedem Satz das Trikot gewechselt (glaube auch vorher schon im Turnier). Nun weiß ich nicht, weil er so geschwitzt hat (in der Halle waren angenehme Temperaturen, draußen dagegen richtig warm) oder weil’s eine Angewohnheit ist. In jedem Fall waren das dann eben mal sieben Trikots allein in dem Spiel.

Im zweiten Halbfinale setzte sich die Turnierüberraschung Ionescu durch, wobei ich bisher noch nie eine Spieler-Trainer-Kombination so intensiv im Austausch gesehen habe, sowohl mit Blick- als auch Gesprächskontakt.

Nach der Mittagspause kam dann das – im Nachhinein – wohl spannendste Match des Tages. Das Damen-Doppelfinale, mit Nina Mittelham und Kristin Lang (ehemals Silbereisen). Letztere übrigens Titelverteidigerin (vor zwei Jahren aber mit Sabine Winter) und seit Januar frische Mama, mit Kind, das schon in den Rängen dabei war. Im Spiel lagen die beiden nach 1:0 dann in Folge immer einen Satz hinten, kamen immer wieder ran und führten im Siebten dann auch schon 10:8 und bekamen es nicht zu. Im Anschluss gab es Matchbälle gegen sie, aber mit starken Nerven und ein Spannungssituationen auch krassen Topspins holten sie am Ende doch noch Gold. 

Nach Spielende wurden übrigens noch Bälle signiert, die ins Publikum geschossen wurden. Eine der beiden deutschen Unterschriften segelte direkt in Sabine Winters Hände, die sich lautstark freute. Und den Ball dann natürlich aber an ein Kind in der Nähe weitergab.

Das Finale Herren-Doppel war dann eine recht klare Angelegenheit für Gardos / Habesohn. Wobei Gardos im anschließenden Siegerinterview auf die Frage, ob denn heute noch gefeiert würde, meinte: eher nicht. Denn er müsse am nächsten Morgen 9 Uhr fliegen, weil bei seinem Klub ein Match ansteht. Aber von diesem Team aus Grenada etliche Mannschaftskollegen schon eine Weile da seinen und jetzt mehrere Abende hintereinander mit ihm was machen wollten, er aber immer wieder nicht konnte, weil er einfach imme weiter gekommen sei.

Das Damenfinale war dann erst mal schwere Kost. Pesotska spielte gegen Li Qian (Abwehr) halt die sehr sichere Variante, mit ganz viel schieben zwischendurch. Aber da gibt es ja zum Glück diese eine Regel, die im 2. Satz bei 10:7 für Li griff (die hatte den ersten Satz verloren, nachdem sie keine Rückhandaufschläge mehr machen konnte, weil die gleich beim 2. Aufschlag weggezählt wurden). Mit dem Zeitspiel (und einem neuen „Zähl“-Schiri, der immer umpositioniert werden musste, bis er dann beim 3. Mal auch kameragerecht untergebracht war und ab dem dritten „Zähl“-Satz dann auch einen Stuhl bekam) war sie anscheinend aber erst mal irriert und verlor den Satz. In der Folge wurde das Spiel durch den Zeitdruck aber doch recht ansehnlich und v. a. drehte Li es letztlich souverän und war ab dann anscheinend eine der glücklichsten Menschen in der Halle. Das Honigkuchenpferd-Grinsen wich ihr nicht mehr aus dem Gesicht.

Nun schritten wir also zum letzten Spiel des Tages, das große Finale. Bei dem Boll besonders im ersten Satz erstmal öfter durchpustend Bälle holen ging, auch gerne nach eigenem Aufschlag, den er direkt um die Ohren geflippt oder gezogen bekam. Im zweiten Satz stabilisierte er sich aber etwas und konnte diesen holen. Ab da war es dann ein sportlicher Aufgalopp, der im fünften und letzten Satz in einer bärenstarke Leistung endete, bei der Ionescu sichtlich ratlos war, als er auch harte Topspins genauso schnell in die Ecken des Tischs zurückbekam, wo er gerade immer nicht stand.

Damit war die sechste Medaille auf Katjas Foto gewonnen (Boll Gold, Franziska Bronze). Und in der abschließenden Medaillenzeremonie feierten wir besonders die Deutschen noch mal. 

Die Halle selber erinnerte mich ein bisschen an Rotterdam, weil Taschenkontrollen gab es keine, man konnte gefühlt ein kleines Picknick auf den Rängen abhalten. Es war aber alles insgesamt eine große Nummer kleiner als bspw. bei WMs. Auch die Ausstellerstände (die außerhalb der Halle waren), Essensangebote war auch fast nicht da (aber dafür ja problemlose „Selbstversorgung“) und der Zuschauerschnitt und damit auch die Stimmung war eher beschaulich. Auch am Tisch gab es nur zwei Kameras, deswegen wurde nur die Seite hinter den Coaches ab und zu mal gefilmt, nicht unsere Gegenseite. Sonst hättet ihr uns sicher mal im Livestream gesehen. Trotzdem, wenn man schon mal in der Stadt ist, kann man auch hingehen. Und es dürfte noch mal leichter als bei WMs (wo es schon nicht schwer ist) sein, an die Spieler*innen ranzukommen. Dass die untereinander in der Regel auch ziemlich gut sind, konnte man auch am Finaltag sehen, als der deutsche Block immer geschlossen bei den deutschen Spiele da war und wie sie auch bei der Medaillenzeremonie und ringsherum miteinander umgingen.

Tja, so kann er sein, ein Tag in einer Halle in Alicante.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert