Zhang Jike – Die Geschichte eines Champions

Weltmeister, World Cup Sieger, Olympiasieger, Weltmeister. So lief es in den Jahren 2011, 2012, 2013 für Zhang Jike im Welttischtennis. Damit ist er einer der wenigen „Grand Slam“ Gewinner in der Geschichte des Tischtennisports. Mit 26 Jahren hat Jike schon viel erreicht, aber auch noch viel vor sich. Der nächste „Grand Slam“ Zyklus wartet – wieder WM, World Cup und Olympia. Bei all seinen Erfolgen darf man nicht vergessen, dass es beinahe ganz anders für ihn gekommen wäre und er sich selbst alle Chancen verbaut hätte.

 

Seine Tischtenniskarriere begann früh und wurde stark von seinem Vater vorangetrieben. Nachdem dieser mehr Chancen in Tischtennis als im Fußball für seinen Sohn sah (Jike hat seinen Namen in Anlehnung an den brasilianischen Fußball-Superstar Zico bekommen), brachte er ihn zu diesem Sport und war fortan sein stärkster Förderer. Diese Förderung umfasste auch Methoden, die wir in der „westlichen“ Welt sicher so (hoffentlich) (zum Glück) nicht mehr finden werden. Trainierte oder spielte Jike nicht gut genug, konnte das Schläge zur Folge haben. In China ist das durchaus nicht ungewöhnlich. In einer Talkshow etwa sprach Jike frei darüber, dass sein Vater ihn auch schlug ohne dass das dies irgendwelche überraschten, geschweigedenn empörten Reaktionen seits Moderation oder Publikum hervor gerufen hätte. Jike ist nichtsdestotrotz seinem Vater heute noch dankbar für diese frühen Trainingsgrundlagen. Legendär die Szene, als er – nach dem WM-Sieg 2013 – jubelnd vor seiner Familie steht.

Jike machte danach schnelle Fortschritte und entwickelte sich weiter. Die Siege und Erfolge schienen im zuzufliegen, seine Entwicklung war nahezu unaufhaltsam. Er schaffte es auf diesem Wege bis in den Kreis der Nationalmannschaft. Zu dieser Zeit wurde aber auch Liu Guoliang Chefcoach des Nationalteams und dieser beobachtete die Charakterschwächen des jungen Jike aufmerksam. Wohlwissend um die Stärke dieses Spielers, war es ihm aber ein Dorn im Auge, dass Jike alles was ihm gegeben wurde, als selbstverständlich annahm. Er war ein junger „Wilder“. Dazu gesellten sich die unschönen Eigenschaften Arroganz und Einbildung. Liu beschloss ihm eine Lektion zu erteilen, warf ihn aus der Nationalmannschaft und verbannte ihn zurück in die Regionalmannschaft.

Das ist normalerweise das Todesurteil für einen Sportler. Allerdings gab Liu Jike mit auf den Weg, dass er glaube, Jike könne es zurück schaffen. Diese „Verbannung“ war ein Wendepunkt für Zhang Jike, der in der Folge tatsächlich zurückkommen sollte.

Mit Xiao Zhan bekam er auch den Trainer in der Nationalmannschaft, der mit ihm umzugehen wusste und seinen Charakter in die richtigen Bahnen lenken konnte. (Randnotiz: In der chinesischen Nationalmannschaft haben die Spieler so etwas wie ihre eigenen Coaches. Liu ist der Chefcoach der gesamten Nationalmannschaft, darunter gibt es aber noch verschiedene Coaches, die mit speziellen Spielern arbeiten. So hatten etwa Ma Lin, Wang Hao und Xu Xin den gleichen Coach.) Zur Mannschaft-WM 2010 in Moskau wurden wieder einmal die Plätze für die Nationalmannschaft ausgespielt, in einem umfassenden Turnier, mit mehreren Runden. Bereits im ersten Teil standen sich Ma Long und Zhang Jike im Finale für den ersten sicheren Platz gegenüber. Jike sollte gewinnen und mit nach Moskau fahren.

Dort konnte er sich über die ersten Runden in den Mannschaftstamm spielen und verdrängte im Finale sogar Wang Hao. Neben Ma Long und Ma Lin lief er gegen Deutschland auf. Ein entscheidendes Match in seiner Karriere. Beim Stand von 1:1 (Ma Long hatte gegen Boll verloren, Ma Lin gegen Ovtcharov gewonnen), sollte Jike die Führung gegen Christian Süß holen, den er kurz zuvor bei den German Open noch deutlich 4:0 geschlagen hatte. Aber er spielte verkrampft, musste einen Satz abgeben und hatte mit einem sehr stark spielenden Süß große Probleme. Er wusste, dass er nicht ansatzweise das spielte, was er im Stande war zu leisten. Trotzdem siegte er letztlich und bekam von Liu Guoliang ein Lob. Denn es ist wichtig zu gewinnen, selbst wenn man nicht sein bestes Tischtennis spielt, trotzdem zu kämpfen.

Somit hatte sich Jike im Kreis der Nationalmannschaft etabliert und ging schließlich auch als einer der chinesischen Spieler in die Einzelkonkurrenz der WM 2011 in Rotterdam. Wir durften damals live dabei sein, als Jike sich seinen ersten großen Einzeltitel sicherte. Den wahrscheinlich weltbesten Abwehrer Joo Se Hyuk servierte er 4:0 ab. Die lebende chinesische Legende Wang Liqin (der bereits den anderen chinesischen Jung-Star Xu Xin aus dem Turnier geworfen hatte) konnte er dann im Viertelfinale besiegen. Im Halbfinale wartete Timo Boll, der 10.000 Zuschauende in der Ahoy-Arena hinter sich hatte. Boll konnte den ersten Satz gewinnen, doch dann kam Jike ins Rollen und für Boll gab es kaum noch Chancen. Mit 4:1 konnte Zhang Jike bei seiner ersten WM gleich ins Finale einziehen. Dort lieferte er Wang Hao, den amtierenden Weltmeister und Topfavoriten auf den Titel, ein großartiges Match, das er schließlich für sich entscheiden konnte. Im Anschluss lieferte er den wohl bekanntesten Siegerjubel überhaupt in der Geschichte des Tischtennis als er sein Trikot zerriss. (Dafür bekam er übrigens einen Rüffel von seinem Vater, der es zuhause hatte aufhängen wollen.)

Im gleichen Jahr konnte sich Jike – wieder gegen Wang Hao im Finale – den World Cup sichern, neben der WM und Olympia das dritte große Weltturnier, was in China maximales Ansehen genießt. Und wieder hat Jike etwas Besonderes für die Zuschauenden nach dem Sieg in petto. Er zog sein Trikot aus, warf es in die Menge und entblößte dabei ein großes Tattoo das sich quer über seinen ganzen Schulterbereich zieht. Neben dem Bild ist darauf der Schriftzug „Persistence“ (dt. „Beständigkeit“) zu sehen. Auch das löste bei Liu Guoliang nicht gerade Begeisterungsstürme aus, doch er ließ sich überzeugen, dass es für Jike wichtig war. Dieser neigte weiter dazu, nachlässig zu werden und nicht ausdauernd genug zu arbeiten. Besonders nach seinem WM-Triumph war das der Fall. Deswegen wollte er als ständige Erinnerung das Tattoo mit sich tragen.

Den Grand-Slam machte Jike im darauffolgenden Jahr perfekt. Mit dem Sieg bei Olympia krönte er sich zu dem Spieler dieser Jahre. Wieder, wie könnte es anders sein, gegen Wang Hao im Finale. Der Siegesjubel diesmal? Er rannte zum Podest und küsste den ersten Platz.

Zhang Jike ist aber nicht der dominanteste Spieler dieser Tage und Jahre. Dazu hat er immer wieder zu viele Hänger, die er nach wie vor nicht vermeiden kann. Fällt es ihm schwer, sich für jedes kleine Event maximal zu motivieren? Kann sein. Zumindest lassen das die nicht unüblichen vorzeitigen Niederlagen in einigen Turnieren vermuten. Zu viel darf man sich selbstverständlich davon in der chinesischen Nationalmannschaft nicht erlauben. Es warten starke Konkurrenten. Allerdings wenn es darauf ankommt, ist Jike immer wieder da und in Bestform.

2013 bei der WM konnten wir uns davon wieder live in Paris überzeugen. Besonders erinnerungswürdig etwa sein Viertelfinalspiel gegen Patrick Baum. Dort stand es 1:1 und 10:5 für einen furios spielenden Baum. Doch Jike bewies seine unglaubliche Nervenstärke, die ihn immer wieder auch hohe Rückstände aufholen lässt. Er gewann den dritten Satz noch, hatte Baum damit gebrochen und demontierte ihn anschließend. Auch die Nummer 1 der Welt, Xu Xin, besiegte er im Halbfinale souverän, um im Finale einmal mehr Wang Hao gegenüber zustehen. Jike wurde zum zweiten Mal Weltmeister.

Zhang Jike ist ein außergewöhnlicher Spieler und er ist ein Charakter. In jedem Fall bereichtert er das Welttischtennis.

 

– geschrieben von Simon –

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert